Separatisten im Siebengebirge - Schicksaltage des Rheinlandes vor 50 Jahren

Unvergessen: Herbst 1923
"Rheinlands Schicksalstage" Unter dieser Schlagzeile der HVZ lasen die Honnefer Bürger vor 50 Jahren, am 23. Oktober 1923, Berichte über die Besetzung rheinischer Städte durch bewaffnete "Sonderbündler”.

In Aachen, M.-Gladbach, Mainz und Bonn hatten "Separatisten", wie man diese Sonderbündler auch nannte, eine unabhängige "Rheinische Republik" ausgerufen. In Koblenz hatte sich eine vorläufige Regierung unter Führung des Separatisten Matthes konstituiert. Das Rheinland sollte vom Deutschen Reich abgetrennt werden und als neutraler Staat eine Sicherheitszone zwischen Frankreich und Deutschland bilden. Der überwiegende Teil der Bevölkerung und alle großen politischen Parteien lehnten aber diese Pläne der Separatisten entschieden ab. In den folgenden Tagen erfuhr man dann auch von erbitterten Auseinandersetzungen der Bevölkerung mit den Sonderbündlern.

Die Leser der HVZ konnten zu dieser Zeit noch nicht ahnen, daß ihre engere Heimat einige Wochen später eine nicht unwesentliche Rolle in diesen Kämpfen spielen sollte. Anfang November wurde Honnef nämlich für kurze Zeit zum Hauptquartier der Separatistentruppen. Als diese aber am 16. November bei Aegidienberg gegen Heimwehren der Einheimischen eine eindeutige Niederlage erlitten, fand ihre Herrschaft in Honnef ein Ende.

Der erfolgreiche Widerstand der Bevölkerung im Siebengebirge und in vielen rheinischen Städten war von großer Bedeutung für die Zukunft des Rheinlandes. Er trug entscheidend dazu bei, daß die separatistische Bewegung bald vollends zusammenbrach. Das Rheinland blieb ein Teil des Deutschen Reiches.

Die folgende Darstellung der Ereignisse im Herbst 1923 und ihrer geschichtlichen Hintergründe möchte als ein Beitrag zur Heimatgeschichte verstanden werden. Sie beschränkt sich auf wesentliche Aspekte, erhebt also keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Als Grundlagen dienten neben historischen Dokumenten und Untersuchungen auch die Berichte lokaler Zeitungen und Unterhaltungen mit Augenzeugen. Die zwischen 1923 und 1933 zu diesem Thema erschienene Literatur ist verständlicherweise von einem betont vaterländischen, oft recht subjektiven Denken geprägt und muß aus dem damals sehr gespannten Verhältnis zu Frankreich verstanden werden. Aus dem größeren Abstand heraus, den wir nach 50 Jahren zu dem Geschehen haben, wird der geschichtlich Interessierte heute sicher vieles anders bewerten, ohne dabei die Motive der Beteiligten zu verkennen, die nur aus der Situation der damaligen Zeit heraus zu verstehen sind.

Honnefer Mitbürger
Der Verfasser dieses Beitrages

Unser Honnefer Mitbürger Rudolf Wolfgarten / 33), Lehrer an der Hauptschule in Königswinter-Niederdollendorf, ist der Verfasser unseres heimatkundlichen Beitrages "Separatisten im Siebengebirge". Die HVZ veröffentlicht diese Fortsetzungsserie, die an das Geschehen in unserer Heimat vor genau fünf Jahrzehnten erinnert, allwöchentlich in ihrer Samstags-Ausgabe.
Der Verfasser entstammt väterlicher- wie auch mütterlicherseits Familien, die seit langen Jahrzehnten in Bad Honnef ansässig sind, Geboren zwar in Kaiserslautern, kam er schon als Zweijähriger in unsere Stadt, die ihm zur Heimat wurde. Am Bad Honnefer Siebengebirgsgymnasium bestand er sein Abitur, bevor er sein Studium an der Pädagogischen Hochschule in Bonn aufnahm.
Die Liebe zu den heimatkundlichen Dingen hat Rolf Wolfgarten wohl vor allem von seinem inzwischen verstorbenen Großvater, dem früheren Stadtbaumeister Jakob Wolfgarten, geerbt. Von Jugend an befaßte er sich mit der Heimatgeschichte. Dabei stieß er auch auf die Separatisten-Unruhen des Jahres 1923. Ursachen und Zusammenhänge dieses längst Geschichte gewordenen Ereignisses, das sich in diesen Tagen zum 50. Male jährt, und das im Laufe der Jahrzehnte vielfach falsch gedeutet worden ist, interessierten ihn.
In mühevoller Kleinarbeit verschaffte er sich Einblick in alte Akten, Zeitungen und sonstige Unterlagen. Das Ergebnis seiner Nachforschungen ist dieser heimatkundliche Beitrag, der gerade in Bad Honnef, einst Hauptquartier der Separatisten, starke Beachtung finden dürfte.


21.10.1973
Honnefer Volkszeitung