Separatisten im Siebengebirge - Schicksaltage des Rheinlandes vor 50 Jahren

Separatisten erlitten hier "ihre deutlichste Niederlage" - Ein Augenzeuge erinnert sich an das Geschehen im November des Jahres 1923. Der seit 53 Jahren in Rottbitze praktizierende Arzt Dr. Fritz Rehdantz war im November 1923 am Zustandekommen des Aegidienberger Selbstschutzes und an einigen Aktionen gegen die Separatisten beteiligt.

Gespräch mit Dr. Fritz Rehdantz

Separatisten erlitten hier "ihre deutlichste Niederlage"

Ein Augenzeuge erinnert sich an das Geschehen im November des Jahres 1923

Der seit 53 Jahren in Rottbitze praktizierende Arzt Dr. Fritz Rehdantz war im November 1923 am Zustandekommen des Aegidienberger Selbstschutzes und an einigen Aktionen gegen die Separatisten beteiligt. In einem Gespräch erinnerte er sich an jene ereignisreichen Tage vor 50 Jahren:

Frage: "Wie kam es zu Ihrer Mitwirkung bei der Gründung der Aegidienberger "Heimwehr"?

Dr. Rehdantz: "Eigentlich war es ein reiner Zufall. Auf einer Praxisfahrt traf ich nämlich am 12. November 1923 an der Straße nach Kretzhaus eine Gruppe Einheimischer, die mir sehr erregt von der Plünderung des Seiferhofes durch bewaffnete "Separatisten" berichteten. Ihr Führer, der Polizist Philipp Schmitz, erklärte mir dann, er beabsichtige in Windhagen und Rederscheid eine Bauernwehr zum Schutz gegen weitere Überfälle der Separatisten zu organisieren. Er bat mich, beim Aegidienberger Gemeindevorsteher Klein die Bildung einer solchen Wehr auch für das dortige Gebiet anzuregen. Gerne kam ich seinem Wunsch nach. Am 13. November fand dann im Saal der Wirtschaft Kremerius eine große Versammlung statt, an der auf meine Einladung hin auch Philipp Schmitz teilnahm. Dort beschloß man die Gründung einer Aegidienberger Heimwehr, mit deren Führung am folgenden Tage der Ingenieur Hermann Schneider aus Rottbitze betraut wurde. Als ehemaligen Offizier hielt man ihn für besonders geeignet."

Frage: "Welche Motive waren nach Ihrer Ansicht für die Bildung des Selbstschutzes maßgebend?"

Dr. Rehdantz: "Den Leuten ging es zunächst vor allem um den Schutz ihres Eigentums. Nur wenige wußten in den erstentunden etwas über die politischen Absichten der Separatisten. Die Bezeichnung "Separatisten" wurde anfangs nur gebraucht, weil sich die Mitglieder der Requisitionskommandos selbst so genannt hatten. Erst später, als man aus den Orten am Rhein Genaueres über die Sonderbündler erfuhr, spielten dann auch gewisse patriotische Motive eine Rolle, die man aber nicht überschätzen sollte."

Frage: "Wer beteiligte sich damals an den Aktionen des Selbstschutzes? Wie war man ausgerüstet?"

Dr. Rehdantz: "Es waren Angehörige fast aller Berufsgruppen, die sich damals beim Selbstschutz meldeten. Viele von ihnen hatten noch wenige Jahre zuvor als Soldaten und Offiziere im Krieg gekämpft. Kurz vor den entscheidenden Gefechten in Himberg und Hövel trafen als Verstärkung der Heimwehren auch einige kriegserfahrene Männer aus dem unbesetzten Gebiet ein. Die meisten Mitglieder des Selbstschutzes verfügten schon bald über Schußwaffen, die man seit dem Kriegsende in den Häuser versteckt gehalten oder aus der weiteren Umgebung eilends herbeigeschafft hatte."

Frage: "Wieviele Leute bildeten nach Ihrer Schätzung am 16. November die Abwehrkette bei Himberg?"

Dr. Rehdantz: "Ich schätze, daß an diesem Abschnitt der Abwehrfront des Selbstschutzes etwa 250 bis 300 gut bewaffnete Männer Stellung bezogen hatten."

Frage: "Haben Sie als Arzt verletzte Abwehrkämpfer oder Separatisten behandelt?"

Dr. Rehdantz: "Nein. Die verletzten Höveler Geiseln wurden von meinem Kollegen Frings aus Oberpleis behandelt. Er hat auch, wie sich später herausstellte, die in Hövel erschlagenen Separatisten gesehen."

Frage: "Wie verhielten sich die französischen Truppen, die nach den Kämpfen bei Himberg hier einrückten?"

Dr. Rehdantz: "Die hier einrückenden Franzosen verhielten sich außerordentlich korrekt. Die Bevölkerung wurde keinerlei Pressionen ausgesetzt. Man hatte vielmehr den Eindruck, daß die Vorfälle besonders den Offizieren sehr unangenehm waren. Die Separatisten wurden von ihnen in keiner Weise unterstützt."

Frage: "Auch in anderen Gebieten des Rheinlandes konnte die Bevölkerung den Separatisten damals erfolgreich Widerstand leisten. Wie ist es zu erklären, daß gerade den Abwehrkämpfen im Siebengebirge eine so große Bedeutung zuerkannt wurde?"

Dr. Rehdantz: "Im Siebengebirge erlitten die Separatisten sicherlich ihre deutlichste Niederlage. Von diesem Schlag haben sie sich in der Folgezeit nicht mehr erholen können. Damals wurde der Öffentlichkeit im In- und Ausland sehr nachdrücklich gezeigt, was die rheinische Bevölkerung wirklich von den Sonderbündlern und ihren Zielen hielt. Darin ist wohl die besondere Bedeutung der Kämpfe in unserer Heimat zu sehen."


Dr. Fritz Rehdantz
18.11.1973
Honnefer Volkszeitung