Heiße Liebe zu eisigen Zeiten

Heiße Liebe zu eisigen Zeiten

Gang zum Traualtar im Bibbermonat Januar: Ilse und Klaus Richter aus Aegidienberg feiern Eiserne Hochzeit

Von Roswitha Oschmann

AEGIDIENBERG. | Heiße Liebe, aber eisige Zeiten. „Es war winterliches Wetter so wie jetzt. Ich habe in meinem weißen Kleid furchtbar gefroren“, erinnert sich Ilse Richter an den schönsten Tag in ihrem Leben – den 16. Januar 1960. Vor 65 Jahren heirateten Klaus und Ilse Richter in der evangelischen Kirche Oberkassel. An diesem Donnerstag wird Bad Honnefs Vizebürgermeister Peter Profittlich ihnen die Glückwünsche zur Eisernen Hochzeit überbringen.

Die Eheleute verbindet ein ähnliches Schicksal: Fernab der schlesischen Heimat besuchten sie zusammen in Oberdollendorf die evangelische Volksschule am Rennenberg. Damals wurden alle acht Klassen in einem Raum, dem „Pferdestall“, unterrichtet. Ilse war die Schwester seines Freundes. Und so ergab es sich, dass Klaus Richter, der nach dem Schulabschluss bereits eine Lehre zum Heizungs- und Sanitärinstallateur absolvierte, das Fräulein Schimmel mit seiner alten Zündapp einige Male von der Schule abholte.

Sie lagen fünf Jahre und fünf Tage auseinander. Klaus wurde am 13. August 1934 in Breslau und Ilse am 8. August 1939 in Ischerey im Kreis Lüben in Niederschlesien, rund 70 Kilometer entfernt, geboren. Wenige Wochen später brach der Zweite Weltkrieg aus. Beide verloren dadurch ihre Heimat. Ilse Richter: „Ich erinnere mich nicht mehr an die Flucht.“ Aber aus Erzählungen weiß sie, dass sie vor der nahenden Roten Armee flüchteten. Nach der Rückkehr ins Dorf wurde die ganze Bevölkerung 1946 vertrieben. In Oberdollendorf in einem Raum des Gasthauses Frembgen fand ihre Mutter mit ihren vier Kindern Unterschlupf.

Dem Bombenangriff auf Dresden im Februar 1945 entkommen

Klaus Richter wollte mit Mutter und Schwester mit dem letzten Zug aus Breslau raus. Die Stadt war am 20. Januar 1945 zur Festung erklärt worden, die nicht wehrtaugliche Bevölkerung sollte weggebracht werden. „Aber meine Mutter bekam eine Kolik und musste ins Lazarett.“ So saßen auch die Richters in Breslau fest. „Jeden Morgen mussten wir Flugblätter, die der Russe abgeworfen hatte, einsammeln“, erzählt der Jubilar von diesen Ereignissen vor 80 Jahren. Richters Tante, die mit der Eisenbahn weggekommen war, er- und überlebte auf ihrer Flucht den schrecklichen Bombenangriff auf Dresden im Februar 1945.

Am 6. Mai kapitulierte Breslau. „1946 mussten wir dann weg.“ Über Cottbus und die Insel Rügen gelangten sie nach Erfurt zur Tante, die sie über den Rot-Kreuz-Suchdienst gefunden hatten. Soldaten in englischer Gefangenschaft hatten ebenfalls über den Suchdienst nach ihren Familien geforscht. „Eine Tante in Bayern hatte das im Radio gehört, der Name unseres Vaters war dabei. Er holte uns aus Thüringen nach Dollendorf, wo er eine Arbeit bei der Firma Vulkan bekam. An der Zonengrenze wurden wir erwischt und versuchten es am nächsten Tag wieder“, sagt Ilse Richter.

Es war der Tag der Währungsreform, der 20. Juli 1948: „Wir hatten keinen Pfennig Geld. Der Vater überließ dem Eisenbahner seinen Ausweis als Pfand. Am Ziel angekommen, gab der Schaffner die Papiere zurück und verzichtete auf Bezahlung. Aber da wir nirgendwo gemeldet waren, erhielten wir auch nicht die 40 Deutsche Mark Startgeld“, so Ilse Richter.

Ilses Vater kehrte 1949 aus russischer Gefangenschaft zurück. Der Landwirt mietete in Römlinghoven ein kleines Haus mit Land, schaffte Kühe und Schweine an. Ilse trat nach der Schule – „eine höhere Schule konnten sich meine Eltern nicht leisten“ – eine Hauswirtschaftslehre bei einer Familie an, ging mit ihr nach Aachen. Klaus und Ilse schrieben sich Briefe. Und der junge Mann nahm auch mal ihre Mutter zu einem Besuch als Sozia mit. „Dass sie einmal meine Schwiegermutter werden sollte, wusste sie noch nicht.“ Als die hübsche junge Dame später eine neue Stelle in Bad Godesberg und danach im Waldkrankenhaus hatte, ging das Paar auch mal ins Kino.

Nach der Hochzeit zogen die Richters nach Aegidienberg. Weihnachten 1965 erhielten sie eine Wohnung im Grünen Winkel in Rottbitze. Jeden Tag wurde frische Milch beim Bauern geholt. Hinterm Haus war gleich der Wald – ein Paradies für die drei Töchter. Inzwischen hat das Jubelpaar neun Enkel und acht Urenkel.

Die Richters hatten immer viel Spaß beim Zelten in den Ferien. Als die Kinder groß waren, legten sich die Eheleute wieder ein Motorrad zu, im Alter dann einen Wohnwagen. Sie machten damit Urlaubstouren nach Skandinavien, Sizilien, Ungarn, Kroatien und Holland, vergangenes Jahr waren sie auf der Insel Rügen und auf Usedom. Toleranz, Arbeitsteilung, Einigkeit in der Kindererziehung und Humor nennen die beiden als Zauberformel für 65 glück­liche Ehejahre.

Die Richters

Jubelpaar besuchte die schlesische Heimat

Direkt nach der Wende fuhren Ilse und Klaus Richter mit dem Motorrad in die alte Heimat – nach Schlesien. „Wir haben die Straße wiedergefunden. Unser Haus war noch ein Häufchen Steine, das Grundstück lag brach, aber das Plumpsklo neben dem Kuhstall hatte jemand grün angestrichen“, so Ilse Richter. „Die Leute waren reserviert, wir konnten uns ja auch nicht verständigen. Vielleicht befürchteten sie, dass wir Ansprüche stellen könnten.“ Das Elternhaus ihres Mannes in Breslau war kaputt. „Aber das Haus meiner Oma nebenan stand noch“, berichtet Klaus Richter und denkt an die schlimme Zeit vor 80 Jahren, die das Jubelpaar erleben musste, zurück. qm

Quelle: General-Anzeiger-Bonn vom 16.01.2025


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