Die „feindliche“ Übernahme von Aegidienberg

Administrator (admin) on 28.09.2019

Als die Stadt Bad Honnef entstand: Karl-Heinz Stang beschreibt die Stimmung 1969 in seinem Zeitzeugenvortrag

Die „feindliche“ Übernahme von Aegidienberg

Als die Stadt Bad Honnef entstand: Karl-Heinz Stang beschreibt die Stimmung 1969 in seinem Zeitzeugenvortrag

 

Von Roswitha Oschmann

BAD HONNEF. Vom 1. August 1969 an war alles anders. Aegidienberg gehörte qua Gesetz zu Bad Honnef. An diesem Tag musste Stadtinspektoranwärter Karl-Heinz Stang den Dienstwagen der Stadtverwaltung, einen VW Käfer, parat machen und mit Verwaltungsrat Heinrich Maur „nach oben“ fahren. „Das war die Übernahme Aegidienbergs, unser Auftreten war problematisch“, erinnerte sich Stang bei seinem unterhaltsamen Vortrag, den er jetzt auf Einladung der Volkshochschule Siebengebirge im Bad Honnefer Rathaus hielt. Stang war zwischen 1988 und 2004 Erster Beigeordneter der Stadt.

Maur, der später ebenfalls Erster Beigeordneter war, war nicht zimperlich beim ersten Besuch im Gemeindebüro auf dem Berg. „Die in Aegidienberg das Sagen hatten, sahen das als Machtübernahme an.“ Den ersten „Anschiss“ gab es für die Aegidienberger Bediensteten, weil das Siegel nicht ordnungsgemäß verwahrt war, den zweiten, weil sie die Aegidienberger Flagge gehisst hatten.

Stang musste die Flagge einziehen, Siegel, Stempel, einige Akten einkassieren. Im Gegenzug gab es Honnefer Briefpapier, das Landessiegel, das vorübergehend galt, und die Honnefer Flagge samt Ermahnung Maurs: „Dass Sie ja nicht mehr die Aegidienberger Flagge hissen!“ Die Übernahme ging noch weiter. „Die Aegidienberger hatten einen super Besprechungsraum, da standen hochherrschaftliche Ledersessel“, so Stang. Noch am selben Tag holte ein Lkw die grünen Ledersessel ab.

Die Vorbehalte im Tal gegenüber der Bergbevölkerung zeigte die Aussage eines Ratsmitglieds angesichts des Zusammenschlusses: „Stang, su ene Mist, jetzt han mer de Mist!“ Und Jahre später: „Han ich es dir nit jesaat, wörren se doch ovve jeblieve.“ „Die Aegidienberger waren schon immer besonders. Sie zeigten es vor 100 Jahren bereits den Separatisten. Die Bergbewohner waren kernig und grundehrliche Menschen – das haben wir erst später erkannt“, bekannte Stang nun in seinem Vortrag. Der heute 75-Jährige, der nach der Bundeswehrzeit sein ganzes Berufsleben lang bei der Bad Honnefer Verwaltung wirkte, beleuchtete auch die Gesamtsituation in der Region zur Zeit der Kommunalen Neuordnung.

Das Änderungsgesetz für den Großraum Bonn war am 15. Mai 1969 mit den Stimmen von SPD und FDP im Landtag verabschiedet worden. In Paragraf 12 war Honnef am Rhein plus Aegidienberg aufgeführt, mit dem Zusatz Stadt und Bad. 4000 Einwohner aus Aegidienberg kamen zu den 16 000 Talbewohnern hinzu. Die Länge der Stadtgrenze wuchs von 29 auf 48 Kilometer. Bis dahin gehörte Aegidienberg zur Stadt Königswinter, mit eigenem Gemeinderat, Bürgermeister und Etat. Knapp war die Entscheidung im Gemeinderat von Aegidienberg am 15. Mai 1968 über den Gebietsänderungsvertrag: Sieben Ratsmitglieder stimmten mit Nein, zwei enthielten sich, zehn waren dafür. Im Tal sprachen sich am 24. Mai 20 Ratsmitglieder für den Zusammenschluss aus – bei einer Nein-Stimme und zwei Enthaltungen. Im Vorfeld hätten die Honnefer Angst vor einem Zusammenschluss mit Bonn gehabt; ihr Wunsch wäre eigentlich eine Gemeinschaft vom Drachenfels bis zur Erpeler Ley gewesen, berichtete der gebürtige Rheinbreitbacher.

Bis zur ersten Kommunalwahl am 9. November 1969 agierte ein fiktiver Rat in Person des ehemaligen Tal-Bürgermeisters Jakob Mölbert, der „MdWdGb“ unterzeichnete – „Mit der Wahrnehmung der Geschäfte beauftragt“. Den Bezirksausschuss Aegidienberg sollte es nur eine Legislaturperiode lang geben. „Stadtdirektor Wahl sah darin große Probleme, aber so stand es im Gesetz“, so Stang. Kurios die erste Sitzung im Saal Dahm: Es wurden Bier, einige Kurze und Schnittchen bestellt. Als sich ein weibliches Ausschussmitglied zu Wort meldete mit hochgehobener Gabel, an der ein Zwiebelring baumelte, „war Maur etwas fassungslos“. Als er dem Ausschussvorsitzenden sagte, dies sei nicht üblich, meinte der nur: „Das ist Aegidienberger Brauch.“ Maur verbot künftig, bei den Sitzungen zu essen und Alkohol zu trinken – darauf nahmen Ausschussmitglieder eben eine im Protokoll vermerkte Auszeit, um draußen ihr Bier zu trinken.

Stang erinnerte auch an die Zeit, als kurz nach dem Zusammenschluss plötzlich das Wasser des eigenen Gemeindewasserwerks versiegte. Tanklöschfahrzeuge aus Bad Honnef-Tal und Königswinter brachten Wasser, das THW Bad Honnef baute eine provisorische Wasserversorgung zum Berg auf. Die Bad Honnef AG lieferte dann über eine neue Leitung durch den Wald das Wasser an die Aegidienberger, die eigentlich an die Wahnbachtalsperre angeschlossen werden sollten.

Der Schulneubau in Aegidienberg wurde in Angriff genommen. Stang lobte die Aegidienberger, die sich selbst das Bürgerhaus schufen. Aegidienberg bekam die Honnefer Stadtsparkasse, baute Kindergärten, musste bei doppelten Straßennamen neue Namen suchen. Probleme seien miteinander gelöst worden, auch Fehler seien gemacht worden. Aber: „Unsere Stadt und unsere Einwohner haben eine tolle Entwicklung genommen.“ Seiner Nachfolgerin habe er statt Akten einen Brief hinterlassen mit der Aufschrift: „Bad Honnef ist schön.“

Und wie steht es darum, dass einige Häuser in Ittenbach (noch) zu Bad Honnef gehören? Laut Stang habe Königswinter das mit Geld bereinigen wollen. Stadtdirektor Wahl aber hatte anderes im Sinn: „Land gegen Land: Die Grenze zu Bad Honnef sollte im Gegenzug so verschoben werden, dass die Spitze des Drachenfels zum Honnefer Stadtgebiet gehört. Wir haben nie eine Antwort bekommen.“

 

Quelle: General-Anzeiger-Bonn vom 28.09.2019

Back

Als die Stadt Bad Honnef entstand: Karl-Heinz Stang beschreibt die Stimmung 1969 in seinem Zeitzeugenvortrag