Frau Fischer sucht das Glück
Frau Fischer sucht das Glück
Die Hygge-Expertin aus Aegidienberg beschäftigt sich in ihrem Buch mit „Wegen zum Glück“
Glück ist ein Begriff, den wohl nur wenige mit dem Jahr 2020 in Verbindung bringen. Doch Andrea Fischer hat sich genau damit beschäftigt. Die Unternehmerin aus Aegidienberg ist Mit-Autorin und Herausgeberin eines gerade erschienenen Buches zum Thema. Sie hat zum internationalen UN-Weltglückstag am 20. März 2020 einen digitalen Glücksgipfel mit 600 Teilnehmern organisiert und plant zum gleichen Datum 2021 in Bad Honnef einen Glücksgipfel als Präsenzveranstaltung. Mit ihr sprach Andrea Simons.
Frau Fischer, wie kommen Sie in einem für viele so verkorksten Jahr dazu, sich mit dem Thema Glück auseinanderzusetzen?
Andrea Fischer: Die coronabedingte Flaute habe ich genutzt, um zu tun, was ich schon lange machen wollte. Als selbstständige Unternehmerin war auch ich zu Beginn des ersten Lockdowns erst mal in Schockstarre. Aber nach ein paar Tagen habe ich mich auf das besonnen, was mein Leben eigentlich ausmacht: Familie, Gesundheit und innere Zufriedenheit. Ich habe mich gefragt, wo die Chancen in der Krise und wo meine Einflussbereiche liegen.
Gehört das Sich-Umorientieren-Können zum Glücklichsein dazu?
Fischer: Ja, es geht darum, das zu fokussieren, was gerade ist. Wohlbefinden gehört auch dazu, das Bewusstwerden der persönlichen Bedürfnisse und damit die Wahrnehmung. Je aufmerksamer ich bin und wahrnehme, desto tiefer kann ich empfinden. Das dritte „W“ ist die wertschätzende Haltung und damit auch im Blick zu haben, was ich alles habe – nicht nur materiell. Studien zufolge ist ein bestimmter finanzieller Grundstock wichtig, aber man wird nicht glücklicher, je mehr Geld man zusätzlich anhäuft.
Ihr Buch heißt „Wege zum Glück“. Welche sind das?
Fischer: Sehr verschiedene Wege. Christin Prizelius und ich haben im Buch 15 Beiträge von Experten zusammengestellt. Da geht es um die psychologische Sichtweise der Verantwortung des Einzelnen, um philosophische und soziologische Perspektiven, um Bruttonationalglück und Einflussfaktoren des Glücks, deren Konsequenzen für Politik und Wirtschaft, um Technik und Bildung, um die Unternehmenswelt, die Natur und es enthält Alltagstipps. Das Buch soll den Lesern Impulse geben, ihre eigenen Wege zu finden.
Wie war denn Ihr Weg zum Thema Glück?
Fischer: Ich beschäftige mich schon sehr lange mit der Zufriedenheit der Menschen, vor allem am Arbeitsplatz. Vor einer Reise mit meiner Familie nach Dänemark hat mir eine Kollegin ein Buch über die dänische Glücksphilosophie Hygge geschenkt. Dann wollte ich herausfinden, warum die nordischen Länder in Sachen Lebenszufriedenheit alljährlich ganz oben und weit vor Deutschland landen und wie man diese Zufriedenheit auch im Berufsleben erreicht.
Und was können die Deutschen von den Dänen lernen?
Fischer: Dass wir unser Glück und unser Leben selbst gestalten können. Wir haben es selbst in der Hand. Das „große Glück“, etwa die Freude über das Erreichen eines lange angestrebten Ziels, hält nur kurz. Aber jeden Tag gibt es kleine Dinge, Erlebnisse, Menschen, Wahrnehmungen, die uns glücklich machen können. Außerdem sind es das Miteinander und Füreinander. In Dänemark etwa käme niemand auf die Idee, dass der Gastgeber einer Feier alles alleine macht. Da beteiligt sich jeder, bringt etwas zu essen mit, und es muss auch nicht alles perfekt sein. Das macht die Dänen gelassener.
Sie selbst widmen sich in dem Buch Ihrem Spezialgebiet „BusinessHygge“, dem Glücklichsein im Job. Wo kann da jeder ansetzen?
Fischer: Zum einen bei der inneren Haltung zum Job. Wir können aufhören zu jammern und anfangen, auf unsere Einstellung und Sprache zu achten. In Deutschland scheint es normal, sich negativ zu äußern und über die Arbeit, den Chef oder die Kollegen zu klagen, statt in Möglichkeiten und Lösungen zu denken. Das wirkt auf uns zurück, auf Atmung, Blutdruck, Verspannungen und Stresslevel. Dann ist das Miteinander sehr wichtig, genauso wie die Führungs- und Unternehmenskultur. Der vierte Bereich ist die Arbeitsplatz- sowie Arbeitszeitgestaltung. Wir können es uns auch im Job gemütlich machen. Hyggelig ist für die Dänen etwas, das gemütlich und vertraut ist wie das Zuhause.
Ist also das wegen Corona boomende Homeoffice ein Schlüssel zu Glücksgefühlen im Beruf?
Fischer: Einer der Schlüssel ist es, Arbeit und Freizeit nicht als Gegensätze zu sehen. Die Work-Life-Balance ist ein Trugschluss. Es führt nicht zu Zufriedenheit, wenn ich auf der einen Seite Energie lasse, die ich dann auf der anderen Seite wieder aufladen muss. Auch der Beruf sollte uns erfüllen. Corona hat vielen ermöglicht, innezuhalten und nicht nur im Keller, sondern auch im Leben aufzuräumen. Manche verharren. Aber es gibt in der Pandemie auch Beispiele großer Kreativität und sensationeller neuer beruflicher Konzepte. Da wirkte die Corona-Pandemie wie ein Weckruf. Für ein gutes Modell halte ich die Kombination aus Präsenzarbeitszeit und Homeoffice.
Wie ist denn das Arbeiten in Ihrer „Hygge-Akademie“?
Fischer: Mittlerweile arbeite ich meist vom Büro aus, das so hyggelig eingerichtet ist, wie ich es auch zu Hause mag: mit einem Bild vom Meer, Kerzen, Pflanzen, Deko zwischen den Büchern. Ich sitze da bei Tee, manchmal mit Musik und gemütlichen Socken an den Füßen. Und das Miteinander unter Kollegen und zu den Kunden prägen Augenhöhe, Wertschätzung und Vertrauen.
Gerade planen Sie für den 20. März 2021 einen eintägigen Glücksgipfel, der in Bad Honnef bei einer Schokoladenmanufaktur stattfinden soll. Weil Schokolade glücklich macht?
Fischer: Der Veranstaltungsort bietet viele Möglichkeiten. Der Duft von Schokolade und der Blick in die Produktionshallen aus allen Räumen tragen zur Atmosphäre bei, denn es geht beim Glücksgipfel nicht nur um Wissensvermittlung. Experten halten Kurzvorträge, es gibt Workshops, aber auch Glücksmeditation, Schokoladengießen und andere Aktivitäten.
Und wer nimmt teil?
Fischer: Jeder kann teilnehmen. Wegen der unklaren Pandemie-Lage haben wir die Teilnehmerzahl zunächst auf 150 begrenzt.
Zur Person
Andrea Fischer legt mit dem aktuellen ihr sechstes Buch zum Thema Zufriedenheit und Glück vor. Die Pädagogin hat Germanistik, Psychologie und Französisch studiert und war zunächst in der Erwachsenenbildung sowie seit mittlerweile 25 Jahren als Personalentwicklerin in Unternehmen tätig. Mit ihrer 2018 in Königswinter eröffneten Hygge-Akademie ist sie Anfang des Jahres 2020 nach Bad Honnef-Aegidienberg umgezogen. Dort lebt die 52-Jährige auch mit ihrem Mann und den zwei Kindern. Das Buch „Viele Wege führen zum Glück. Experten stellen vor“ hat sie gemeinsam mit Christin Prizelius im Springer-Verlag herausgegeben.
Quelle: General-Anzeiger-Bonn vom 05.01.2021