Interview Monika Jostes - „Zu lesen ist für mich wie verreisen“

Administrator (admin) on 14.07.2022

Die Leiterin der Katholischen Öffentlichen Bücherei Aegidienberg zur Zukunft der kleinen Büchereien

Interview Monika Jostes

„Zu lesen ist für mich wie verreisen“

Die Leiterin der Katholischen Öffentlichen Bücherei Aegidienberg zur Zukunft der kleinen Büchereien

 

Büchereien sind von gestern – „out of time“, wie Jugendliche sagen würden. Zumindest konfessionelle Büchereien haben mitunter mit einem angestaubten Image zu kämpfen. Zu Unrecht, wie das Beispiel der Katholischen Öffentliche Bücherei (KöB) Aegidienberg zeigt: Dort lässt sich ein engagiertes, zehnköpfiges Team aus ehrenamtlichen Mitarbeitern im Alter von 16 bis 70 Jahren sehr viel einfallen, um attraktiv zu bleiben – und zwar für alle Altersklassen. Mit Leiterin Monika Jostes sprach Gabriela Quarg.

Sie leiten die Bücherei schon seit 27 Jahren. Was hat sich verändert über all die Jahre?

Monika Jostes: Anfangs kamen die Leute ohne, dass man etwas dafür tun musste. Heutzutage muss man sich richtig bemühen und sich wirklich etwas einfallen lassen. Bei Jugendlichen ist das zugebenermaßen schwierig, das war aber schon immer so. Wir versuchen mit vielen Aktionen auf uns aufmerksam machen und über solche vor allem Kinder fürs Lesen und für die Bücherei zu begeistern. Viele kennen es ja leider gar nicht mehr, zuhause etwas vorgelesen zu bekommen.

Was sind das für Aktionen?

Jostes: Wir gehen gezielt auf Kindergärten und auf die Grundschule zu. Vorschulkinder können bei uns zum Beispiel den Büchereiführerschein machen. Auch nehmen wir am Lesefest Käpt‘n Book und am Projekt Leseheld teil – das ist mein absolutes Steckenpferd. Dabei bekommen Kinder eine kleine Geschichte vorgelesen, im Anschluss gibt es dann zu dem Thema verschiedene Mitmachaktion. Sie glauben gar nicht, wie begeistert die Kinder dabei sind. Und die vergessen das auch nicht. Wenn ich heute durch den Ort gehe, ruft fast immer jemand: „Da ist die Frau vom Leseheld.“ Und das Schöne ist, die Kinder kommen dann auch wieder in Bücherei.

Und sie bringen sicherlich auch ihre Eltern mit. Werden die auch bei Ihnen fündig?

Jostes: Wenn die Eltern mitkommen, dann entdecken sie bei uns auch ein großes Repertoire an Romanen. Aber wir haben auch wunderbare Sachbücher, Spiele und DVDs im Bestand. Es ist ganz wichtig, immer auf neuestem Stand zu sein und mit der Zeit zu gehen. In unseren Regalen stehen auch Bastelbücher für Jungen oder der „Papa-Ratgeber“. Das hat es vor zehn Jahren noch nicht gegeben.

Aber immer wieder neue Medien anzuschaffen, kostet Geld. Wie sieht es mit der Finanzierung aus?

Jostes: Sie ist natürlich schwieriger und vor allem auch zeitaufwändiger geworden. Wir erhalten Geld von der Kirchengemeinde und vom Bistum. Letztes Jahr haben wir zudem einen wunderbaren Sonderzuschuss in vierstelliger Höhe erhalten, von dem wir ganz tolle neue Medien anschaffen konnten, sogenannte Tonies für die Kinder zum Beispiel. Auch die Teilnahme an Projekten, wie zum Beispiel dem Leseheld-Projekt, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und den Borromäusverein gefördert wird, ermöglicht uns, neue Bücher anzuschaffen. Leider läuft das Projekt im Herbst aus.

Haben Sie keine Angst, dass die Kirche den Geldhahn zudreht?

Jostes: Die Kirchen müssen sparen, im Bad Honnefer Talbereich sind bereits Pfarrbüchereien geschlossen worden. Dort gibt es ja auch eine große Stadtbücherei. Ich hoffe, dass wir hier in Aegidienberg noch lange erhalten bleiben. Eine Bücherei ist ja mehr, als nur ein Ort, an dem man Bücher ausleihen kann. Sie soll auch Treffpunkt für Jung und Alt sein. Solange wir können, werden wir auch alles dafür geben.

Abgesehen von der Finanzierung, was bedeutet es, eine kirchliche Bücherei zu sei?

Jostes: Uns ist es wichtig, dass Bücher auch Werte vermitteln. Jedes Buch, das hier steht, habe ich zumindest durchgeblättert. Es gibt auch welche, die möchte ich nicht im Regal stehen haben. In unseren Projekten widmen wir uns auch Themen wie Integration oder der Frage, wie man die Erde retten kann. Darüber hinaus möchten wir den Menschen ein Stück Kirche bieten, das anzieht. Für mich ist Kirche nicht nur „da oben“ – Kirche ist hier, in Büchereien, in Krankenhäusern, in Hilfswerken. Und wir verstehen uns auch als Teil der Gemeinde.

Wie kann es gelingen, Menschen für Bücher zu begeistern?

Jostes: Zunächst muss man selber von etwas begeistert sein, damit man diese Begeisterung auch an andere weitergeben kann. Ich liebe selber Bücher. Zu lesen ist für mich wie verreisen und in fremde Welten einzutauchen. Ich möchte, dass Kinder diese Magie des Lesens erleben. Die Buchindustrie macht heute so viel, um dies zu ermöglichen. Schwarz-Weiß ist längst nicht mehr gefragt. Heute bieten viele Bücher ein interaktives Leseerlebnis. Ein Buch muss ansprechend gemacht sein, damit ich Lust habe, es in die Hand zu nehmen.

Was halten sie persönlich von E-Books?

Jostes: Ich selber bin kein Fan davon, auch wenn ich natürlich die Vorteile sehe. Bücher nehmen nun mal viel Platz weg. Gerade im Urlaub sind E-Books natürlich praktisch. Aber ich persönlich liebe es, ein Buch in die Hand zu nehmen und mal nicht auf einen Bildschirm oder Display schauen zu müssen. Und ich weiß, dass es vielen Menschen genauso geht. Ich glaube daher auch nicht, dass wir Angst haben müssen, dass es irgendwann keine Bücher mehr gibt.

Zur Person

Seit 27 Jahren im Ehrenamt aktiv

Martina Jostes leitet die Katholische öffentliche Bücherei in Aegidienberg seit 27 Jahren ehrenamtlich. Die gelernte Sozialpädagogin, selbst Mutter von vier mittlerweile erwachsenen Kindern, ist außerdem im Bereich der Sprachförderung in Kindergärten in Bad Honnef und Königswinter tätig und leitet auch die Bücher-Arbeitsgemeinschaft in der Offenen Ganztagsschule Aegidienberg. Wenn sie nicht gerade ein Buch in der Hand hat, näht sie auch gerne oder arbeitet im Garten. qg

 

Quelle: General-Anzeiger-Bonn vom 14.07.2022

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