Mehr Vielfalt im Wald

Administrator (admin) on 21.03.2023

Dürre, Borkenkäferbefall und Sturmschäden setzen dem Wald zu. Bad Honnefs Stadtförster erklärt, was dagegen getan wird

Mehr Vielfalt im Wald

Dürre, Borkenkäferbefall und Sturmschäden setzen dem Wald zu. Bad Honnefs Stadtförster erklärt, was dagegen getan wird

Von Hannah Krause

BAD HONNEF. | „Wir wussten, dass sich etwas ändern wird, aber mit dieser Geschwindigkeit hat niemand gerechnet“, erzählt Georg Pieper, Stadtförster in Bad Honnef, auf dem Weg zum ersten Ziel: einer großen Fläche in Aegidienberg kurz vor der Landesgrenze zum rheinland-pfälzischen Windhagen-Stockhausen. Dort, wo einst ein großer Fichtenwald stand, herrscht Leere. Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht: Dieses geflügelte Wort lässt sich stellenweise längst nicht mehr in die Realität übersetzen. Doch hoffentlich nicht mehr lange. In langen Reihen stehen dort die Setzlinge, erkennbar an gelb-grünen Schutzhüllen, die nun wachsen und gedeihen sollen.

Der Bad Honnefer Stadtwald misst insgesamt eine Größe von 1200 Hektar, damit ist die Stadt einer der größten Waldbesitzer im Rhein-Sieg-Kreis. „Seit zwanzig bis dreißig Jahren gibt es schon Bestrebungen, den Wald umzuändern, von Monokulturen zu Mischkulturen“, so Piper. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden in viele deutschen Wäldern Fichten gepflanzt. Aus der Not heraus, denn der Baum hat Vorteile: Er wächst schnell und gerade und liefert gutes Bauholz. Und das wurde zum Wiederaufbau, auch als Heizmaterial für die Maschinerien im Ruhrgebiet, dringend gebraucht.

Womit Fichten nicht gut auskommen, ist die Trockenheit. Die zurückliegenden Dürrejahre setzten den Bäumen zu, sie produzierten nicht genug Harz, um Schädlinge wie den Borkenkäfer abzuwehren. Das Ergebnis, das auch die Landschaft verändert hat: 430 von 450 Hektar der Fichtenwälder in städtischem Besitz starben ab. Andere Arten wie die Buche kommen ebenfalls mit der Trockenheit nicht gut klar, sie brauchen viel Wasser: Schlecht für „die Mutter des Waldes“, wie Pieper die Buche nennt. Insgesamt wurden von 2019 bis Ende 2021 80.000 Kubikmeter sogenanntes Kalamitätsholz im Stadtwald geerntet. Pieper: „In einen Überseecontainer passen etwa 30 Kubikmeter Holz hinein. Würde man alle Container mit dem Schadholz füllen und hintereinanderstellen, wäre das eine Strecke von Bad Honnef bis zum Flughafen Köln/Bonn.“

160.000 neue Bäume gepflanzt

Um den Wald zu unterstützen, werde bei der Stadt nach einem „Drei-Säulen-Modell“ interveniert. Die erste Säule ist das Ernten und Wiederpflanzen. Das zeigt sich an vielen Stellen im Bad Honnefer Stadtwald. Es wurden bereits 160.000 neue Bäume gepflanzt. Bis auf einige wenige Restflächen sei die Pflanzaktion abgeschlossen, es sei denn, die letzten Fichten schafften den Sommer nicht.

Gepflanzt werden die Bäume in Gruppen, jede Gruppe in einer anderen Art und mit zehn bis 20 Meter Abstand zu den umliegenden Gruppen. Das sei einerseits nicht so teuer, wie die gesamten Flächen neu zu bepflanzen. Andererseits könne in den Zwischenräumen wachsen, was an heimischen Samen im Boden ist. Die neu gepflanzten Bäume sollen möglichst vielfältig sein, Mischwälder sollen entstehen, um Schädlingen und dem Klimawandel vorzubeugen. Wird eine Art von einem Schädling befallen oder kommt mit dem Klima nicht klar, werde der Schaden nicht mehr so groß ausfallen wie in den vergangenen Jahren, weil noch andere Baumarten da sind.

Es geht weiter zum zweiten Ziel, dem Wald hinter dem Stadtteil Bad Honnef-Rottbitze kurz vor Rheinland-Pfalz. Dort zeigt sich, was mit der zweiten Säule gemeint ist: Stehen lassen. „Die Natur weiß am besten, was sie kann“, so Pieper. „In vielen Bereichen, wo es fachlich Sinn ergibt, überlassen wir die Kalamitätsflächen der natürlichen Entwicklung.“ Am hinteren Rand eines Feldes steht eine Gruppe großer, kahler und grauer Fichten. Statt hier die kaputten Bäume zu fällen, überlässt man sie sich selbst. Für Besucher gilt: Das Verlassen der Wege erfolgt auf eigene Gefahr, im Naturschutzgebiet ist es sogar verboten. Sicher ist sicher, denn die toten Bäume könnten jederzeit brechen. Sowieso raten Experten, den Wald bei Wind oder gar bei Sturm ganz zu meiden.

Zur dritten Säule gehören kleinflächige Sonderlösungen, die vielfältig, aber eher selten sind. Der anschließende Weg durch das Schmelztal zeigt, es wurde schon einiges getan. Es gibt kaum eine Fläche, die nicht die vielen Plastikröhren, in denen neue Bäume geschützt anwachsen können, enthalten. Anfangs habe er sich gegen das Plastik gewehrt, so Pieper. „Wir predigen immer von ökologischen und natürlichen Vorgehensweisen, da kann ich doch kein Plastik in den Wald packen“, sagt er.

Aber: Der Nutzen sei sichtbar. Der morgendliche Tau sammelt sich in den Röhren und läuft innen als Wasser hinunter, direkt zu den Wurzeln der kleinen Bäume. Außerdem sind sie ein Schutz gegen Tierverbiss. Besonders Rehe knabberten gerne an den zarten Setzlingen. Nicht zuletzt sei eine Wildbejagung unumgänglich. Der Bestand sei hoch, und „auch die Bäume müssen so gut wie möglich geschützt werden“. Die Areale einzäunen, sei keine Option: Die Flächen sind einfach zu groß. Zu gegebener Zeit werden die Schutzröhren wieder abgebaut und entsorgt.

Bei der letzten Station der Tour geht es mitten hinein in den Forst. Hier lässt sich erkennen, dass es nicht überall trostlos aussieht und dass ausländische Baumarten wie die Douglasie vom amerikanischen Kontinent etwas zum heimischen Baumbestand beitragen können. Die Douglasie zeige sich klimaresistenter als einige heimische Arten und werde somit immer häufiger in Deutschland gepflanzt. Mit ihrem dicken Stamm und der Höhe von bis zu 60 Metern sieht sie imposant aus.

Eine Frage bleibt offen: Wird der Wald sich vollends erholen? Pieper ist sich sicher, der Wald wird nicht verschwinden, aber er wird anders aussehen. Bis die neuen Bäume zu einem Wald herangewachsen seien, sei es ein langer Prozess, so Pieper. Ein Waldbestand durchläuft mehrere Stadien, nach der Pflanzung (Kultur) kommt das Dickungsstadium, dort berühren sich die Kronen benachbarter Bäume. Bis die jungen Bäume so weit herangewachsen sind, dass es aussieht wie ein richtiger Wald, müsste man im Stadtwald ungefähr 30 bis 40 Jahre warten, weiß Pieper. Wichtig neben allen Maßnahmen sei auch: Der Wald „lernt“ mit. Junge Bäume seien besser für den Klimawandel der kommenden Jahre gerüstet.

Naturschutz

Projekt des Rhein-Sieg-Kreises soll Wald retten

Am 21. März ist internationaler Tag des Waldes. Mit dem Projekt Chance 7 sollen Natur- und Landschaftsräume in Teilen des Kreisgebietes und der Stadt Bonn so verbessert werden, dass die Qualität der Landschaft und seltene Pflanzen- und Tierarten erhalten bleiben und gefördert werden.

In den vergangenen Jahren hat der Kreis dazu verschiedene ältere Laubwälder mit Buchen und Eichen an Bächen und in Hanglagen gekauft, um forstliche Bewirtschaftung zu verhindern. „Im Bereich des Stadtwaldes Bad Honnef hat Chance 7 insgesamt 106 Hektar Wald aus der Nutzung genommen“, so der Leiter des Amtes für Umwelt- und Naturschutz, Jörg Bambeck. Damit könnten sich die Flächen unberührt entwickeln. Chance 7 habe der Stadt Bad Honnef dafür eine Nutzungsentschädigung gezahlt.

Ziel ist es, im Wirtschaftswald ein dauerhaftes Netz von Altbauminseln zu etablieren. Diese sogenannten Biotopbäume, die eines natürlichen Todes sterben dürfen, zeichnen sich durch einen hohen Anteil an Kronentotholz aus und sind für die Biodiversität zentral. Zusätzlich wurden 430 Biotopbäume in Wäldern des Landesbetriebs Wald und Holz in Eitorf/Windeck, Quirrenbachtal, im Krabachtal und in Eitorf und Hennef gesichert. Vom Borkenkäfer befallene Fichten wurden gefällt, die freigewordenen Flächen mit standortgerechten Laubbäumen und Sträuchern neu bepflanzt.

Das Projekt ist seit 1. Dezember 2010 in Kreis-Trägerschaft. Es wird zusammen mit Naturschutzorganisationen, Vereinen, Kommunen und den Bürgerinnen und Bürgern in der Region umgesetzt. Zwischen dem Siebengebirge im Westen und der Gemeinde Windeck sollen bis 2025 auf einer Fläche von annähernd 11.300 Hektar bundesweit bedeutsame Lebensräume und Arten erhalten und gefördert werden. Informationen gibt es auf www.chance7.org . krh

Quelle: General-Anzeiger-Bonn vom 21.03.2023

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