Hier endete der Vormarsch der Separatisten

vor 100 Jahren Kampf in Aegidienberg bringt Angreifern entscheidende Niederlage. Erinnerung an Gräueltaten

Hier endete der Vormarsch der Separatisten

vor 100 Jahren Kampf in Aegidienberg bringt Angreifern entscheidende Niederlage. Erinnerung an Gräueltaten

Von Mario Quadt

AEGIDIENBERG. | Wie bei so viele Fragen im Leben ist auch diese eine knallharte Frage des Geldes: Vor genau 100 Jahren anno 1923 stellten sich viele Menschen in der Region die Frage, fünf Jahre nach dem Ende des verlorenen und verlustreichen Ersten Weltkriegs, zu wem sie sich zugehörig fühlen sollen: den Deutschen, den Franzosen oder eigenständigen Rheinländern.

Für Schriftsteller Kurt Tucholsky war die Sache klar: Das Rheinland steht seinerzeit „geschlossen wie ein Mann zu dem, der besser zahlte“. Am Donnerstag, 16. November, jährt sich zum 100. Mal der Tag, an dem die Separatisten in der „Schlacht von Aegidienberg“ eine entscheidende Niederlage hinnehmen mussten. Der Bürgerverein Aegidienberg begeht diesen besonderen Tag mit einer Gedenkfeier am Samstag, 18. November, im Bürgerhaus – und mit der Veröffentlichung des brandneuen Schriftenbandes „Der Abwehrkampf in Aegidienberg“.

An jenem Tag vor 100 Jahren stellten sich Bürger aller Berufsschichten aus Aegidienberg und den umliegenden Orten in einer geschlossenen Abwehrfront auf, um dem weiteren Vordringen des separatistischen Schreckensregiments Einhalt zu gebieten, wie Gert Bellinghausen und Erich Tentler, die beiden Autoren des 62 Seiten starken Bandes, berichten. Rund 300 wehrfähige Männer hatten sich am 14. November in Aegidienberg zu einer Bürgerwehr zusammengeschlossen, die bis zum Abend des 16. Novembers von mehr als 5000 zusätzlichen Wehrleuten aus dem gesamten Siebengebirgsraum und dem nahen Westerwald unterstützt wurden, viele von ihnen ausgerüstet mit Waffen aus dem Ersten Weltkrieg. Viele Separatisten zogen nicht aus politischen Gründen zu Felde, sondern wegen der Aussicht auf ein wenig Sold – meist in Form von Lebensmitteln. „Wenn man bedenkt, dass die Franzosen in diesem von ihnen besetzten Gebiet den Besitz und das Tragen von Waffen streng verboten hatten, wird man umso eher die Not und die Verzweiflung ermessen können, die die Bürger des Siebengebirges damals dazu getrieben haben, sich trotzdem Waffen zu besorgen, um ihre Familien und ihr persönliches Hab und Gut gegen die Separatisten zu verteidigen“, so das Autorenduo. Presseberichte über die „Schlacht von Aegidienberg“ gingen damals um die ganze Welt. Hierbei wurde besonders herausgestellt, dass die Bürger des Siebengebirges mitten im zivilisierten Europa gegen die Überfälle der Separatisten keinen anderen Schutz hatten als die eigene verzweifelte Notwehr.

Die französische Militärregierung gab für die Schlacht in Aegidienberg insgesamt 120 getötete und verwundete Separatisten an. Aufseiten der Bürgerwehren wurden Peter Staffel aus Hühnerberg und Theodor Weinz aus Hövel von den Separatisten erschossen. Die Gedenkfeier des Bürgervereins Aegidienberg in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung Bad Honnef beginnt am Samstag, 18. November, 18 Uhr, im Bürgerhaus Aegidienberg, Aegidiusplatz 10. Während dieser Gedenkfeier lädt der Bonner Historiker Ansgar Klein zu einer Zeitreise in die schweren Jahre nach dem Ersten Weltkrieg von 1918 bis1923 ein. Dabei stellt er dar, wie die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse die Aktivitäten der Separatisten begünstigten. In Filmmaterialien aus dem Jahr 1933 und aus dem Jahr 1993 kommen Zeitzeugen zu Wort.

Presseberichte der Schlacht

gehen um die Welt

Die Erinnerungskultur an die erfolgreiche Abwehr der Separatisten aus heutiger Sicht und die Frage, wie präsent das Geschehen von damals heute noch ist, sind Themen einer Talkrunde während der Gedenkfeier. Und: Außerdem wird der neueste Schriftenband „Der Abwehrkampf in Aegidienberg“ erstmalig vorgestellt. Dieser 62-seitige Band mit vielen Fotos und Karten kann nach der Gedenkfeier zum Vorstellungspreis von acht Euro erworben werden.

Quelle: General-Anzeiger-Bonn vom 15.11.2023


15.11.2023
General Anzeiger