Vom Bauernhof zum Schutzhof für Tiere

Administrator (admin) on 03.10.2020

Eine Auffangstation in Orscheid ist im Aufbau. Die Tierschützer benötigen weitere Spenden

Vom Bauernhof zum Schutzhof für Tiere

Eine Auffangstation in Orscheid ist im Aufbau. Die Tierschützer benötigen weitere Spenden

 

Von Claudia Sülzen
Aegidienberg. Eddy, Cutulu, Lotti und Lucas sind nur zu Besuch. Gemeinsam peesen die Vierbeiner über das Gelände, während ihre Frauchen Antje Firmenich und Elke Trapp mit den zweibeinigen Gästen zum Rundgang starten. Noch ist der Tierschutzhof an der Orscheider Straße lediglich im Aufbau. Ab Frühjahr 2021 aber, so hoffen die Aktivposten des Vereins Tier-, Natur- und Artenschutz Siebengebirge, können auf dem ehemaligen Bauernhof Tiere aufgenommen werden.
Das Stichwort lautet „vorübergehend“. 20 bis 30 Katzen sollen hier einziehen, bis sie vermittelt werden können. Den Katzen gebührt auf dem Tierschutzhof das Hauptaugenmerk: Die privaten Pflegestellen sind mit der Aufnahme unzähliger Stubentiger überfordert, berichten Firmenich und Trapp, müssen sogar Tiere ablehnen.
Bei den Hunden hingegen liegt der Schwerpunkt des Vereins auch weiterhin auf einer Unterbringung in den privaten Pflegestellen. Falls diese alle besetzt sind, können allerdings bis zu fünf deutsche Fund- oder Abgabehunde in Orscheid untergebracht werden.
„Der Tierschutzhof ist kein Tierheim, Pflichtaufnahme von beschlagnahmten Tieren wie in öffentlich geförderten Tierheimen gibt es nicht“, betonen Firmenich und Trapp. Und ergänzen: Die Arbeit mit Pflegestellen sei auch vor dem Hintergrund, dass sie den Hunden gut tue, ein Pfund des Vereines. Gerade die erfahrenen Tierhalter in den Pflegestellen seien es, die eine erfolgreichere Vermittlung erst möglich machten.
Sozialisation mit anderen Tieren, dazu ein familiäres Umfeld und Erziehung sind das Startkapital für ein „normales“ und hoffentlich glückliches Hundedasein. Ganz so wie im Fall von Lucas, der aus einer Tötungsstation in Rumänien stammt und bei Trapp und ihrem Hund Cutulu in die „Lehre“ geht – und erstmal Vertrauen aufbaut nach einem Zwinger-Schicksal und Misshandlung. Kein Wunder, dass er zwar freundlich, aber schüchtern den Besuch beschnuppert.
Warum dann überhaupt ein Tierschutzhof? Schon auf den ersten Blick wird klar: Die 500 Mitglieder starke Tierschutz-Lobby braucht – ganz profan – Lagerplatz. „Bislang hatten wir Räume in Linz angemietet, vieles war verteilt“, erzählt Firmenich, während sie eine Tür nach der anderen für die Besucher öffnet. Katzenfallen für verwilderte Hauskatzen, der Anhänger, mit dem Material für Info- und Kuchen-Stände transportiert wird, und Futterspenden sind sorgsam sortiert und griffbereit.
Die Auffangstation wird die Arbeit der Tierschützer nicht nur vor diesem Hintergrund enorm erleichtern. Was etwa, wenn mitten in der Nacht ein entlaufener Hund unterzubringen ist? Mal schnell nachts eine Pflegestelle raus klingeln wie aktuell ist kein Vergnügen. „Schließlich sind die meisten berufstätig und haben Familie“, so Trapp. Hinzu kommt: „In 80 Prozent der Fälle findet sich der Besitzer in wenigen Stunden bis zu einem halben Tag. Und wenn ich einen fremden Hund bei einer Pflegestelle unterbringe, kann das auch problematisch sein mit den anderen Hunden.“ Wie es Firmenich schon erlebt hat: „Einmal passte es gar nicht. Da habe ich mit dem Fundhund halt im Keller geschlafen.“
Auch dieser Fall zeigt, wie wichtig eine Auffangstation mit ausreichend Platz ist: Zwei mutterlose Lämmer brauchten ein (Stall-)Dach über dem Kopf oder zumindest ein Stückchen Wiese, bis eine Unterbringung für die beiden gefunden war. „Eine klassische Auffangstation nimmt uns in vielerlei Hinsicht den Druck“, sagt Trapp. Es gibt Platz, um Not-„Felle“ erst mal unterzubringen, bis eine gute Unterbringung gefunden ist. Eine weitere, wichtige Tierschutzaufgabe: Verwilderte Hauskatzen werden eingefangen und kastriert. Da frisch operierte Tiere nicht sofort ausgewildert werden dürfen, werden sie so lange untergebracht, bis sie sich erholt haben und an den Fundort zurückgebracht werden.
Für eine Auffangstation wie jene, die in Orscheid entsteht, gelten viele Vorschriften; Genehmigungsbehörde für den Betrieb ist das Veterinäramt. Ein Paradebeispiel für die Komplexität der Regelungen ist der Quarantäneraum, der fertig sein muss, bevor die Betriebsgenehmigung erteilt werden kann. Problem: Der Raum, der am Eingang eine Wanne für das Desinfektionsfußbad hat, ist noch nicht komplett. Es fehlen die vorgeschriebenen Edelstahlboxen für die Tiere. Und die kosten – circa 30 000 Euro fehlen dem Verein zu ihrer Finanzierung noch.
Umso glücklicher sind die Aktiven, dass nach der Corona-Zwangspause endlich wieder der Info-Stand samt Kuchen- und Marmeladenverkauf auf die Reise gehen kann: Jeder Euro zählt. Dass der Verein den Tierschutzhof überhaupt realisieren kann, verdankt er einer Erbschaft. Die sechstellige, projektbezogene Summe stammte aus einem Nachlass. Durch einen Zufall stieß Vorsitzender Ozan Stoll auf den ehemaligen Bauernhof, der nach Ende der Bewirtschaftung zwischenzeitlich sogar als illegale Hundezucht negativ von sich Reden machte.
2018 war der Kauf unter Dach und Fach, 2019 ging es ans Ausmisten. Nachdem die Baugenehmigung durch die Stadt erteilt war, begann der Umbau, in tausenden ehrenamtlichen Stunden und mit Fachgewerken. „Die Arbeit mit den Handwerkern ist klasse, und sie sind uns teils auch sehr entgegen gekommen“, so Trapp.
Selbstredend ist das 6000 Quadratmeter große Gelände mit festen Zäunen versehen. Noch so ein Glücksfall für den Verein, der seine Arbeit alleine aus Spenden finanziert und mit Ehrenamtlichen Hotline, Tierrettung und Pflegestellen sichert: Dank einer großzügigen Einzelspende gibt es ein neues Eingangstor. Nur an einer Stelle „fehlt“ der Zaun. Mit Absicht: Angrenzend an das eingezäunte Gelände ist die Artenschutzabteilung mit Totholzecke und Wildkamera. Firmenich: „So können wir Kindern zeigen, welche Tiere nachts hierher kommen.“ Denn auch Umweltbildung für die nächsten Generationen ist gelebter Tier-, Natur- und Artenschutz.

Der Verein
Tier-, Natur- und Artenschutz 
Den
Verein Tier-, Natur- und Artenschutz Siebengebirge gibt es seit 1985. Aktueller Vorsitzender ist
Ozan Stoll . Der Verein hat rund
500 Mitglieder , von denen gut
60 aktiv als Pflegestelle, Hotliner, Einsatzfahrer und Veranstaltungshelfer eingebunden sind. Das Einsatzgebiet erstreckt sich von Königswinter bis Leubsdorf über Windhagen und Asbach bis zum Westerwald.Der gemeinnützige Verein finanziert sich aus
Spenden und will herrenlosen, verletzten oder misshandelten Tieren helfen. Dafür stehen die Mitglieder in
zurzeit 20 Pflegestellen für Hunde , zehn für Katzen, eine für Kaninchen mit zurzeit rund 30 Tieren und drei für Meerschweinchen gerade. Ein weiteres Mitglied kümmert sich besonders um Exoten. Außerdem werden
drei Gnadenbrotpferde von Aktiven betreut.Die Hotline des Vereins unter ☏ 022 24/ 980 3216 ist von 8 bis 22 Uhr besetzt. Hier werden Notfälle entgegengenommen und Fragen beantwortet. Info: www.tierschutz7gebirge.de

 

Quelle: General-Anzeiger-Bonn vom 03.10.2020

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